Das Drama Maria Stuart wurde im Jahr 1800 veröffentlicht und ist wohl eines der berühmtesten Werke des deutschen Autors Friedrich Schiller. Im Rahmen des Themas Weimarer Klassik haben wir den Text im Deutschunterricht gelesen und intensiv darüber diskutiert. Im ersten Abschnitt werde ich die Zentralen Konflikte im Drama behandeln. Danach vergleiche ich den Israel-Palästina-Konflikt mit dem Streit zwischen Maria und Elisabeth.
Im Drama gibt es mehrere zentrale Konflikte, die zusammen zur Verurteilung und Hinrichtung Maria Stuarts führen. Einer der zentralen Konflikte ist der Streit zwischen Elisabeth I. und Maria Stuart darüber, wer das legitime Recht über die Herrschaft von England hat. Maria, Königin von Schottland, flieht, da sie am Mord ihres Ehemanns mitschuldig ist, nach England. Da sie den Anspruch auf den englischen Thron erhebt und beschuldigt wird, an einer Verschwörung gegen Elisabeth beteiligt gewesen zu sein, wird sie gefangengenommen. Maria argumentiert mit der Tatsache, dass Elisabeth keine rechtmässige Thronerbin von Heinrich VIII. ist und sagt, dass sie selbst in der traditionellen Thronfolge die nächste berechtigte Königin wäre und nicht Elisabeth. Elisabeth wird als Tochter Heinrichs VIII. und Anne Boleyns geboren. Da aber Heinrich VIII. bei der Geburt von Elisabeth nicht offiziell durch den Papst von seiner ersten Frau geschieden wurde, gilt Elisabeth als Bastard und hat deshalb keinen direkten Anspruch auf den Thron. Sie wurde jedoch durch einen Parlamentsbeschluss zur Königin gemacht und ist somit trotzdem legitim auf den Thron gekommen. Elisabeth möchte nicht nur politisch über Maria gewinnen, sondern auch persönlich als Frau, denn Maria ist sehr attraktiv und anziehend für Männer und hat einen grossen Einfluss auf sie, was Elisabeth eifersüchtig macht. Dieser Charme auf Männer führt aber auch zum inneren Konflikt von Maria. Sie erkennt, dass Männer alles machen, um sie besitzen zu können und sie damit immer wieder ins Verderben bringen. Elisabeths innerer Konflikt ist die Frage, ob sie Maria hinrichten lassen soll oder nicht. Denn sie ist sich nicht sicher, wie das Volk auf den Tod von Maria reagieren wird. Das Volk könnte die Hinrichtung als Zeichen der Unterdrückung und Brutalität des Staates sehen und sich gegen Elisabeth wenden, dadurch würde sie sehr schnell den Thron verlieren, denn Elisabeths einzige Machtbasis ist die öffentliche Meinung, da sie durch einen Parlamentsbeschluss zur Königin wurde. Sollte Maria aber weiterleben, könnte sie auch die Macht verlieren, weil es noch viele Katholiken im Land gibt und Männer, die für Maria alles tun würden. Im Streitgespräch im dritten Aufzug wird klar, dass Maria als Frau und menschlich und moralisch über Elisabeth triumphiert, aber politisch verliert. Maria bietet die politische Kapitulation an und wird von Elisabeth so fest provoziert, dass sie ausrastet und Elisabeth beleidigt (nennt sie Bastard). Da Elisabeth weiss, dass Maria teilweise recht hat, weil sie weiterhin eifersüchtig ist und aus Angst ihre Macht zu verlieren, lässt sie Maria hinrichten und gewinnt so zwar den politischen Konflikt, aber verliert als Frau (auch weil Lester sie am Ende verlässt). Elisabeth löst ihr Dilemma mit dem Volk, indem sie das Todesurteil dem Staatssekretär Davidson übergibt und sich so der Verantwortung am Tod von Maria entzieht. Maria ist am Ende mit sich selbst im Reinen. Sie akzeptiert das Todesurteil, obwohl sie unschuldig ist, und sieht es als gerechte Strafe für den Tod ihres Mannes, an dem sie schuldig war.
Auch in der heutigen Zeit gibt es Konflikte darüber, wer das legitime Recht über die Herrschaft eines Gebiets hat, so auch der Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und den Palästinensern. Beide Seiten behaupten, sie wären die ersten Bewohner auf dem Gebiet gewesen und deshalb hätten sie das Recht dort zu leben und die anderen nicht. Doch historisch lässt sich nicht eindeutig feststellen, wer zuerst dort war. Deshalb haben eigentlich beide Völker ein Recht darauf, dort zu leben. Auch ist es unsinnig, seinen Machtanspruch auf einem solchen Grund zu basieren, weil das Gebiet immer wieder durch andere Völker erobert wurde, beispielsweise durch die Römer. Auch im Text Maria Stuart ist es schwer zu sagen, wer jetzt die legitime Herrscherin ist, denn beide haben einen rechtmässigen Anspruch auf den Thron. Ein Unterschied liegt jedoch darin, dass nicht beide einen gleich grossen Anspruch auf die Herrschaft haben, denn Elisabeth wurde durch den Willen des Parlaments Königin und sie weiss, dass Maria eigentlich einen stärkeren legitimen Machtanspruch hat, denn sie ist die nächste berechtigte Königin in der traditionellen Thronfolge. Ebenfalls spielt in beiden Konflikten die Religion eine grosse Rolle. Im Drama Maria Stuart ist es die protestantische Kirche gegen die katholische Kirche und im Nahost-Konflikt ist es die Jüdische gegen die muslimische Religion. In beiden Fällen führt die Religion zu verstärkten Spannungen und Ausschreitungen. Elisabeth sieht Maria als Bedrohung und hat Angst, durch sie den Thron von England zu verlieren, weshalb sie Maria hinrichten lässt. Ähnlich fühlen sich Israel und die Palästinenser voneinander bedroht und haben Angst, ihre Heimat zu verlieren. Deshalb wollen beide die anderen vernichten, um nicht selbst zum Opfer zu fallen. Ein grosser Unterschied zwischen den beiden Konflikten ist jedoch, dass der Streit zwischen Maria und Elisabeth noch einen grossen persönlichen Antrieb hat, was beim Nahost Konflikt nicht so sehr der Fall ist. Der Nahost-Konflikt ist auch ein Konflikt zwischen zwei Völkern, und der Streit im Drama ist zwischen zwei Personen, was das Ganze noch mal massiv voneinander unterscheidet. Beide Konflikte zeigen aber, dass es schwer ist, die legitime Herrschaft festzulegen und es sinnlos ist, sich darüber zu streiten. Viel besser wäre es eine gemeinsame Lösung zu finden, wie alle zusammen auf einem Gebiet leben können.
Friedrich Schiller (2004): Maria Stuart. Text und Kommentar. Kommentiert von Wilhelm Grosse. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.